No coffee with a cop

no coffee with a cop

Weil das Image der US-amerikanischen Polizei offensichtlich nicht das Beste ist, hat diese sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Coffee with a cop. Das heißt, Polizistinnen und Polizisten verschenken Kaffee an diejenigen, die schon immer mal mit der Polizei ins Gespräch kommen wollten. Soweit so langweilig. Jetzt ist aber auch das NRW-Innenministerium auf die Idee gekommen, dieses innovative Konzept zu adaptieren und schickt am 16. Dezember im Zuge einer Tournee durch das Nordrhein-westfälische Bundesland auch eine Delegation inklusive Kaffee-Truck nach Krefeld.

Promotet wird die Rundreise als Teil der Kampagne „NRW zeigt Respekt“. Obwohl die Polizei sich „in den Dienst der Gesellschaft“ stelle und „für Sicherheit“ sorge, würde sie „immer häufiger beschimpft und attackiert“. Entsprechend sei jetzt die Zeit, „gemeinsam ein Zeichen zu setzen“. Respekt wird also nicht von Seiten der Behörde gespendet, sondern eingefordert. Und sie wird ihn erhalten. Nämlich von jenen, die schon immer mal gemeinsam mit der Polizei darüber lästern wollten, dass alles immer schlimmer werde.

Der Punkt ist aber: Die Polizei stellt sich nicht „in den Dienst der Gesellschaft“, sondern in den Dienst einer Gesellschaftsordnung und ihrer besitzenden Klasse. Die Sicherung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse und die Einschüchterung jener, die dagegen aufbegehren, ob aus Armut oder Empörung, waren ein Grund für ihre Entstehung und sind ein Grund für ihr Fortbestehen.

Entsprechend muss „Coffee with a cop“ in einem größeren Zusammenhang betrachtet werden. Während die Polizei sich zunehmend militarisiert und beinahe wöchentlich durch neue rechte Chat-Gruppen, verstorbene Inhaftierte, Polizeigewalt und jämmerliche Auftritte des Politik-Darstellers Rainer Wendt in Erscheinung tritt, scheut sie keine Mühe, sich als das komplette Gegenteil darzustellen. Ihr Ziel: die scheinbare Entpolitisierung der Polizei, welche schon in dem dämlichen Nazi-Slogan „Freund und Helfer“ deutlich wurde. Die Polizei möchte mit all ihren pseudo-lustigen Tweets, ihren kostspieligen „auch Mensch“-Kampagnen und ihrem schier unübertreffbaren Selbstmitleid darüber hinwegtäuschen, dass sie nicht etwa ein erweitertes Ordnungsamt, sondern eine Institution darstellt, die eben nicht für alle da ist.

Man kann sich daher bereits ausmalen, wer die Gelegenheit nutzen wird, mit den Polizistinnen und Polizisten gemeinsam einen Kaffee zu trinken. Diejenigen, die sich vergewissern wollen, mit der Polizei gemeinsam auf einer Seite zu stehen. Auf der guten Seite, auf der die Polizistinnen und Polizisten den Menschen zuwinken und Scherzchen reißen. Auf der man sich noch aus alten Gymnasiumszeiten kennt. Auf der mal ein Auge zugedrückt wird und man sich in Ruhe alle Seiten anhört. Auf der man sich einredet, es nicht mit autoritären, uniformgeilen Charakteren, sondern Menschen mit einem ausgeprägten „Helfer-Syndrom“ zu tun zu haben. Auf der man eben nicht zu spüren bekommt, dass die Polizei eine politische Institution mit der Lizenz zur Gewalt ist. Auf der die Polizei nicht zur Gefahr für Leib und Leben wird. Auf der man nicht lernt, das Weite zu suchen, wenn die Bullen kommen. Auf der Menschen im Polizeigewahrsam nicht „ungeklärt“ ums Leben kommen. Auf der guten Seite eben – der Seite der gut betuchten.

Kaffee? Schmeckt besser ohne Bullen

Kritik des Toleranz-Paradoxons von Karl Popper

Kritik des Toleranz-Paradoxons von Karl Popper

Kaum eine Kommentarspalte zur Extremismustheorie, in der nicht mit dem Verweis auf das Toleranzparadoxon des Philosophen Karl Popper versucht wird, eine Lanze für die politische Linke zu brechen. Der Zusammenhang scheint erst einmal nicht abwegig: Popper hielt in seinem Buch „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ von 1945 fest, dass Unterdrückung und Gewalt dann gerechtfertigt sind, wenn sie sich gegen eine Intoleranz erster Ordnung richten, der mit einem rationalen Diskurs nicht beizukommen ist. Die damit beschriebene Intoleranz zweiter Ordnung ist notwendig, um die offene, tolerante Gesellschafts-einrichtung zu schützen.

Doch hier zeigt sich bereits, weshalb Poppers Ansatz nicht widerspruchsfrei adaptiert werden sollte – zumindest nicht von linksradikaler Seite. In „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ führt Popper aus, was er mit einer „offenen Gesellschaft“ meint und von wem er diese bedroht sieht; namentlich von Karl Marx und Georg Wilhelm Friedrich Hegel, denen er Totalitarismus und Utopismus vorwirft. Der Tenor ist klar: Die (neo)liberale Demokratie muss gegen jede grundlegende Veränderung verteidigt werden. Im „Positivismusstreit“ wurde abermals deutlich: Poppers Rationalismus möchte über das bloße Beschreiben der Gesellschaft, das reine Bewahren nicht hinaus gehen und verurteilt jede grundlegende Gesellschaftskritik, in der mehr als nur einzelne Machtkonstellationen innerhalb des Status-Quo untersucht werden. Die konformistische Vorstellung, wir lebten bereits in einer Utopie oder eine Utopie wäre prinzipiell nicht möglich, verhindert das Infragestellen alltäglicher Gewaltmechanismen, globaler Ungleichheiten, ökonomischer Zwänge und psychosozialer Missstände. Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ kann somit gewissermaßen als tragender Teil der Totalitarismus-, Extremismus-, bzw. Hufeisentheorie verstanden werden.

Dabei wäre die Hufeisentheorie in etwas abgewandelter Weise (als Magnettheorie) eine gar nicht komplett verkehrte Reduktion der politischen Landschaft. Streben die beiden Enden nach Veränderung, hat es sich die – etwas undefinierte – „Mitte“ zur Aufgabe gemacht, das Bestehende zu verwalten. Die noch ausstehende Befreiung des Menschen kann erst durch eine Entfernung von dieser Anti-Politik der Mitte erfolgen.

Von rechter Seite wird die Intention formuliert, den Status-Quo grundlegend verändern zu wollen und eine moralische Kraft gegenüber einer rationalistischen Welt darzustellen; dieser Wunsch nach Transformation wäre die Gemeinsamkeit linker und rechter Agitation. Wesentlich entscheidender als diese (nur oberflächliche) Übereinstimmung ist jedoch der inhaltliche Unterschied. Die politische Rechte strebt nach (Rück)bindung in Form einer völkischen-rassistischen oder kulturellen Homogenität. Die erstrebte Transformation ist dabei entweder eine Rückkehr in längst überwunden geglaubter Verhältnisse (Rechts-konservativismus) oder legt einen falschen Fortschrittsgedanken (Faschismus) an den Tag, der mehr durch einen revolutionären Gestus statt revolutionäre Inhalte geprägt ist. Faschistinnen und Faschisten verstehen sich als Gegenpart zum bürgerlichen Überbau des Kapitalismus, ohne die ökonomischen Aspekte grundlegend in Frage zu stellen. Die extreme Rechte unterscheidet daher nicht zwischen bürgerlichen und kommunistischen Ideen; für sie sind beide Ursprung der Entwurzelung des Menschen.

Gegen diese falsche Ablehnung der Hufeisentheorie müsste eine fortschrittliche Linke festhalten, dass die ursprünglichen Ideale und Gehalte der Aufklärung – und damit der bürger-lichen Gesellschaft – die Voraussetzung für die Befreiung des Menschen darstellen. Es wäre stattdessen hinzuweisen auf den Widerspruch zwischen dem Gleichheitsanspruch der sogenannten Mitte und der realen Ungleichheit. Es wäre zu kritisieren, dass ein um jeden Preis zu verhindernder Rückschritt im allgegenwärtigen Konformismus bereits angelegt ist. Und es wäre – anknüpfend an die Ideen von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ – für eine Revitalisierung utopischen Denkens über das Bürgertums hinaus zu kämpfen. Symbolisch hieße das, die linke Seite des Magneten zu stärken und die rechte auszubremsen, womit die Magnet-Analogie bereits an ihre Grenze kommt. Aber wir sind ja auch keine Physiker, sondern Kommunistinnen.

Magnet-Theorie