„Der erste Arbeiteraufstand der deutschen Geschichte“ – Karl Marx

Am 4. November 1828 rebellierten etwa 2000 Krefelder Seidenweber gegen ihre schlechte Bezahlung und die Absicht der Fabrikbesitzer, die Löhne um 15% zu kürzen. Im Zuge des Aufstandes wurden die Häuser mehrerer Fabrik-Besitzer aufgesucht und die Fensterscheiben der Familie von der Leyen mit Steinen eingeworfen. Die „Seidenbarone“ von der Leyen zählten damals zum wichtigsten Textilunternehmen in der Seiden-Metropole Krefeld.

Ende des 18. und Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Arbeitsbedingungen hart. 12- bis 18-Stunden-Arbeitstage bei unerträglicher Hitze und starkem Lärm waren die Regel. Etwa 40% der Krefelder Seidenarbeiter waren unter 14 Jahre, eine große Anzahl soll sogar nur 5 oder 6 Jahre alt gewesen sein. Der nach Ankündigung einer massiven Lohnsenkung – nicht nur der von der Leyens – organisierte Aufstand wurde nach kurzer Zeit durch das herbeigeeilte 2. Westfälische Husaren-Regiment niedergeschlagen. Der „erste Arbeiteraufstand der deutschen Geschichte“, wie Karl Marx ihn nannte, blieb also weitestgehend folgenlos.

20 Jahre später, im Zuge des Umbruchs in Frankreich und Deutschland, mussten die Fensterscheiben der Krefelder „Seidenbarone“ am 20. März 1848 erneut dran glauben. Das Wohnhaus des besonders verhassten Seidenunternehmers Abraham ter Meer wurde von den aufgebrachten Arbeitern gestürmt und verwüstet. Weil die „Seidenbarone“ weitere Ausschreitungen fürchteten, ließen sie militärische Hilfe herbeirufen und setzten sich eine Woche später mit einer Delegation der Weber an einen Tisch, um verschiedene Arbeitnehmerrechte schriftlich festzuhalten – es entstand ein Vorläufer des heute üblichen Tarifvertrages.

Umso erstaunlicher, dass der Seidenweberaufstand sowohl in der Krefelder als auch der marxistischen Geschichtsschreibung keinerlei nennenswerte Rezeption findet. Gelten die „Seidenbarone“ rund um von der Leyen, ter Meer oder de Greiff als die maßgeblichen politischen Former der Stadt und ihrer Geschichte, finden sich die Samtweber lediglich als lokalpatriotische Folklore und Sinnbild für die Seidenkultur in der Selbstwahrnehmung wieder.

Die Erzählung Krefelds als Samt- und Seidenstadt ist eine zutiefst apolitische. Dabei zeigt der Weberaufstand, dass die Arbeiter mehr waren als nur wehrloses Menschenmaterial, das den „Seidenbaronen“ als Arbeitskraft unterstand, sondern handelnde und politische Subjekte, die ein erstes Kapitel in der langen Geschichte für den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und ein eigenes Bewusstsein als Arbeiter geschrieben haben. Was fehlt, ist eine gesellschaftskritische Geschichtsschreibung des Konflikts von unten statt der Versöhnung von oben.