Gegen jeden Antisemitismus

Vergangenen Freitag kam es bei einer Hanau-Gedenkveranstaltung in Köln zu anti-israelischen Äußerungen. Alle Details dazu beim Bündnis gegen Antisemitismus Köln.

Wir haben dies zum Anlass genommen, einen Teil unseres Redebeitrages, den wir im September bei einer Kundgebung in Krefeld anlässlich 6 Monaten Hanau gehalten haben, zu veröffentlichen. Denn gerade vor dem Hintergrund, dass der Attentäter ein manifestes antisemitisches Weltbild besaß und unter anderem die Vernichtung Israels forderte, sind die Äußerungen von „Palästina Spricht NRW“ und „Young Struggle Köln“ blanker Hohn.

[…] Das Weltbild der Täter [Hanau, Christchurch, Halle und Utoya] und ihres in Internetforen applaudierenden Publikums ist lächerlich einfach. Man wähnt sich als Held in einem weltumspannenden Kampf von Gut gegen Böse. Anhänger der QAnon-Theorie fungieren als tausendfache Multiplikatoren dieser wirren Weltwahrnehmung. Immer sind die Phantasmen einer jüdischen Weltverschwörung, eines betrogenen Volkes und einer erwählten Rasse präsent.
All das finden wir auch in den schriftlichen Hinterlassenschaften des Täters von Hanau. Ein unerträgliches Schwadronieren über Geheimgesellschaften, Deepstate und satanische Eliten.

Was für die meisten ein hinreichender Grund wäre, eine schwere Paranoia zu diagnostizieren, avanciert zu einer Massenmeinung. Es wäre eine Verschleierung massiver antimoderner und regressiver Strömungen und der sie bedingenden Verhältnisse, wenn man die Täter als einsame Irre darstellt. […]
Antisemitismus und Rassismus stehen in der Welt der Täter nicht unabhängig nebeneinander; sie werden in einen kausalen Zusammenhang gesetzt. Der Jude – meist verklausuliert als „geheimer Zirkel“ – ist der Strippenzieher, derjenige, der die Welt ins Chaos stürzen und das (deutsche) Volk zu unterdrücken gedenkt. Schwarze und nicht als „deutsch“ wahrgenommene Menschen werden als niedere, primitive Rasse angesehen. Im großen Geheimplan werden sie als entindividualisierte Masse betrachtet, die von den Mächtigen wie Schachfiguren eingesetzt würden, um ihre sadistischen Pläne durchzusetzen. Im Kleinen sorgen diese Menschen dann allerdings ganz konkret dafür, dass das „Deutschtum“ zersetzt werde. Eine Vorstellung, die in weiten Teilen der extremen Rechten vertreten wird, nicht zuletzt bei der Identitären Bewegung.

Der Kampf gegen Rassismus kann erst dann erfolgreich sein, wenn er mit dem Kampf gegen Antisemitismus verbunden wird. Eliminatorische Vernichtsungsfantasien, wie sie von immer mehr Männern in die Tat umgesetzt werden, speisen sich nämlich gerade aus der Verknüpfung aus beidem. Der Rückzug in Verschwörungsideologien, die jeglicher Rationalität entbehren und von einfachstem Freund-Feind-Denken geprägt sind, erscheint dabei als treibende Kraft für die eigene Radikalisierung. […]

Warum musste Amad A. sterben?

Warum musste Amad A. sterben? Aufklärung jetzt!
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Die heutige Demonstration in Krefeld unter dem Motto „Rassismus tötet“ war mit 250-300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besucht. Im Namen der „Initiative Amad Ahmad“ haben wir mittels Flugblättern auf den Fall Amad A. aufmerksam gemacht. Der entsprechende Text wurde darüber hinaus von der DIDF Jugend Krefeld als Redebeitrag gehalten:

„Im September 2018 verstarb der aus Syrien geflüchtete Kurde Amad Ahmad infolge eines Brandes in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Kleve. Der offizielle Bericht sprach zweifelsfrei von einem Suizid. Doch Recherchen von Monitor, Panorama 3 und einem parlamentarischen Untersuchungsausschluss kamen zu der Schlussfolgerung, dass es erhebliche Unstimmigkeiten in der offiziellen Version gab, diese teilweise sogar nachweisliche Falschbehauptungen enthielt. So wurde bewusst verschwiegen, dass Amad die Gegensprechanlage betätigte, lautstark um Hilfe rief und durch das Treten gegen die Zellentür auf sich aufmerksam machen wollte. Ein unabhängiges Brandgutachten stellte darüber hinaus fest, dass der zeitliche Ablauf wie dargestellt überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Aber die Unstimmigkeiten fingen schon früher an:

Festgenommen wurde der damals 26-jährige Amad am 6. Juli 2018 an einem Badesee in Geldern aufgrund einer angezeigten Belästigung. Die Beamten hätten Amad Ahmad laut eigener Aussage beim Personalienabgleich mit einem in Hamburg gesuchten Malier verwechselt. Das wirkt allerdings unglaubwürdig, weil die beiden Personen optisch kaum zu verwechseln sind. Aber mehr noch: Der angegebene Grund für die Verwechslung, ein Alias-Name, der angeblich von beiden Personen benutzt wurde, war erfunden. Ein entsprechender Datenbankeintrag wurde erst nach(!) der Verhaftung Amads bearbeitet bzw. manipuliert, wie spätere Recherchen zeigten. Amad saß also etwa drei Monate unschuldig in der JVA Geldern und später in der Justizvollzugsanstalt Kleve.

Dennoch stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen bereits Ende 2019 ein. Zuvor hatten sich verschiedene beteiligte Behörden gegenseitig die Schuld in die Schuhe geschoben. Auch die Krefelder Polizei spielte bei der Frage um die Datensätze eine Rolle. Zwei Tage vor der Verhaftung Amads hatte sie Amad erkennungsdienstlich behandelt und später die Datenbank angepasst.

Die Initiative Amad Ahmad (Facebook-Link) möchte sich mit all dem nicht zufrieden geben. Wie kann es sein, dass Amad über so lange Zeit unschuldig in Haft saß? Wie kann es sein, dass die genauen Umstände des Brandes vertuscht wurden? Wie kann es sein, dass die beteiligten Behörden durch Lügen, Verheimlichen und Manipulation auffielen und wie kann es sein, dass sie damit sogar durchkommen?“