Kein Platz für Antisemitismus

Kein Platz für Antisemitismus - Kundgebung gegen die "Corona-Rebellen" am 3.8.20 um 18:30 Uhr auf dem Theaterplatz

Kundgebung gegen die verschwörungsideologischen „Corona-Rebellen“
Mo. 3.8.20, 18:30 Uhr, Theaterplatz Krefeld

Seit etwa drei Monaten trifft sich wöchentlich eine Gruppe aus dem Umfeld der sogenannten „Corona-Rebellen“* auf dem Krefelder Theaterplatz. Neben der Forderung, die Corona-Maßnahmen zurückzunehmen, verbreitet diese teils öffentlich, teils hinter vorgehaltener Hand abstruse Verschwörungsideologien. Mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehören und gehörten der Neonazi-Szene an, andere geben sich als Anhänger der antisemitischen Q-Anon-Bewegung zu erkennen. Wieder andere sehen sich selbst als „gemäßigt“ an, haben aber scheinbar kein Problem mit Antisemitismus und nationalistischen Revolutionsphantasien. Wir schon. Daher werden wir die kommende Montagsdemonstration am 3.8.20 nicht unwidersprochen über die Bühne gehen lassen. Bitte denkt an entsprechenden Mund-Nasen-Schutz. (Gesamter Aufruf siehe unten)

Unterzeichnende Gruppen:

  • Anarchistische Gruppe Krefeld
  • antifa désaccord krefeld
  • Antifaschistische Fahrradbrigade
  • Bündnis „Krefeld für Toleranz und Demokratie“
  • CSD Crefeld
  • Die PARTEI Krefeld
  • FAU Krefeld
  • Fridays for Future Krefeld
  • Grüne Jugend Krefeld
  • H5 – Anarchistisches Freiraumprojekt
  • Jusos Krefeld
  • Riot Racoons – Antifaschistische Konzertgruppe
  • Rock gegen Rechts Krefeld
  • Seebrücke Krefeld

Corona-Demos in Krefeld – Antisemitische Verschwörungsideologien und Neonazis unter bürgerlichem Deckmantel

Seit Beginn der Corona-Pandemie erlebt die Verschwörungsszene deutschlandweit ein Comeback und veranstaltet in fast jeder größeren Stadt regelmäßig Demonstrationen und Mahnwachen. So auch in Krefeld, wo sich jeden Montag 30-60 Personen zuerst am Rathausplatz, dann wegen Bauarbeiten auf dem Theaterplatz trafen und treffen.

Im Hintergrund ein selbstgemaltes Banner mit der Aufschrift: „Für Menschenrechte, Grundgesetz und Freiheit“, gepaart mit mehreren Herzen, Smileys und Blumen. Darunter in klein: „Immer 19 Uhr – Krefeld am Montag auf Telegram“.

In ihren Reden geht es um Befindlichkeiten beim Maske-Tragen, wirres Esoterik-Geschwurbel, Schamanen, Gott, Pharmaindustrie und zum Abschluss singen alle „Die Gedanken sind frei“. Nach einer guten Stunde Irrsinn packen die „Rebellen“ zusammen und trinken Cappuccino im „La Romantica“, einer Gaststätte unweit des Theaterplatzes.

Auf den ersten Blick eine harmlos daherkommende Veranstaltung von Menschen, die zu viel Youtube gucken. Schaut man allerdings genauer hin, wird ein ganz anderes Bild der Gruppe sichtbar.

Radikalisierung on- und offline

Dass die „gemäßigte“ Außendarstellung nur taktischer Natur ist, zeigt der Blick in eine entsprechende Chatgruppe: Intern wird über einen „Phasen“-Plan diskutiert. In der ersten Phase, in der man sich momentan befände, solle man noch gemäßigt auftreten, um möglichst viele Leute anzusprechen. In späteren Phasen solle man dann Stück für Stück klarere Worte in der Öffentlichkeit finden. So wurde aus taktischen Gründen auch das Singen der ersten Strophe des Deutschlandlieds auf einen späteren Zeitpunkt vertagt.

Als weiteres Beispiel schrieb der Erschaffer des Banners in bester Reichsbürgermanier: „Ich hab echt widerwillig das Wort Grundgesetz auf unser Plakat gepinselt. Dachte mir, nicht schlimm, Findungsphase, die Mehrheit von uns möchte sich noch aufs Grundgesetz berufen. Das mag sich vielleicht ändern. Dann pinsel ich halt Verfassung drüber. Alles zu seiner Zeit. […] Wir verteidigen dann eben ein Grundgesetz das uns als Personal der BRD GmbH darstellt.“ (Fehler im Original)

Ein klares Bild zeichnen auch die hunderten geteilten Links rechter Medien: PI-News, KenFM, Attila Hildmann, Epoch-Times (rechtskonservative Zeitung), Oliver Janich, Eva Hermann, Heiko Schrang, NuoViso (verschwörungsideologischer Youtube-Kanal), Der fehlende Part (Russia Today Propaganda-Kanal). Außerdem Videos zu Chemtrails, Impflügen und des AfD- sowie Identitären-nahen Influencers Miró Wolfsfeld.

Alles was die eigene Meinung stärkt, wird dankend angenommen, eine Abgrenzung nach Rechts gibt es nicht. Man unterhält sich über „Feinde Deutschlands“, „Scheindemokratie“, „Volksverräter“, eine „immer noch andauernde Besatzung Deutschlands“ oder den „Deep State“ – alles Themenbereiche aus rechten Verschwörungsideologien.

Ein regelmäßiger Teilnehmer der Krefelder Montagsdemos schrieb beispielsweise:
„Ändern tut sich erst was wenn alle Medienhäuser abfackeln, Journalisten im Knast sitzen, das geraubte Vermögen der Politiker und NGOs wieder der Bevölkerung zurück gegeben wird und alle diese Arschlöcher da oben öffentlich hängen nachdem sie komplett enteignet wurden.“ (Fehler im Original)

Besonders ausgeprägt ist außerdem die Verbreitung diverser antisemitischer Lügen aus der Q-Anon-Bewegung, einer verschwörungsideologischen Online-Bewegung die den Ursprung in den USA hat. Unter dem Deckmantel von kryptischen Codes werden antisemitische Inhalte im Netz verbreitet. So tauchen in Videos und vermeintlichen „Dokus“ der Szene immer wieder die Familie Rothschild und der Philanthrop George Soros auf. Rothschild und Soros gelten in rechten Szenekreisen als Synonym für „jüdische Weltverschwörer“. Die Q-Anon-Bewegung erklärt diese zu Gründern der Weltgesundheitsorganisation und Pandemie-Profitjägern, die wahlweise die Patente für das angeblich künstlich hergestellte Coronavirus besitzen und/oder mit einem Impfstoff die Weltbevölkerung sterilisieren wollen. Zum Narrativ gehört auch, dass eine mächtige Gruppe von Prominenten, Bankerinnen und Politikern Kinder in unterirdischen Anlagen foltert und sexuell missbraucht, um das Medikament „Adrenochrom“ herzustellen. Damit verbreiten sie tradierte antisemitische Muster von Ritualmorden und Geheimgruppen, die angeblich das Geschehen der Welt lenken sollen und von denen es sich zu entledigen gelte.

Solche Inhalte werden nicht nur hinter hervorgehaltener Hand vertreten, sondern auch öffentlich auf dem Theaterplatz. An mehreren Terminen trug ein Teilnehmer ein T-Shirt mit schwarz-weiß-roter Flagge und dem Slogan „WWG1WGA“ (Where we go one we go all), der als Erkennungsmerkmal unter Q-Anon-Anhängern fungiert.

Nach nun mehr als drei Monaten bekommt man den Eindruck, dass sich die Gruppe zunehmend radikalisiert, was unter anderem an der Beteiligung eines Teils der Krefelderinnen und Krefeldern an Demonstrationen der Düsseldorfer „Corona-Rebellen“ (1000 Teilnehmende) liegen könnte, wo der Schulterschluss mit der aktiven rechten Hool- und Neonazis-Szene ganz offen in Kauf genommen wurde. Aber auch innerhalb der Krefelder Gruppe ließ sich von Anfang an eine entsprechende Ausprägung erkennen.

Schon bei einer der ersten Mahnwachen am 11.5.2020 fielen drei Personen durch das Tragen eines abgewandelten Judensterns(5 statt 6 Zacken) mit der Aufschrift „Ungeimpft“ auf. Hiermit wurden demokratische Maßnahmen zur Bekämpfung einer Pandemie mit der nationalsozialistischen Ideologie verglichen, die schlussendlich in die Shoah geführt hat. Die symbolische Gleichsetzung mit Jüdinnen und Juden, die im Nationalsozialismus mit dem „Judenstern“ für die Ermordung in den Konzentrationslagern markiert wurden, ist nicht nur zynisch, geschmacklos oder „umstritten“. Es ist eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus und es ist eine Verharmlosung des Holocausts. Wer das tut, handelt antisemitisch. Intern sieht man das natürlich anders, da man ja in einer „Diktatur“ lebe. Aber diese Aktion, so ist man sich einig, war zumindest verfrüht.

Zulauf von Rechtsaußen

Volker Lachenicht ist regelmäßiger Besucher der Montagsdemos und aktiver Schreiber in der internen Telegram-Gruppe. Bei Antifas älteren Semesters dürfte es bei diesem Namen direkt klingeln:

1969 beteiligte sich Volker Lachenicht am Aufbau der „Europäischen Befreiungsfront“, der ersten rechtsterroristischen Gruppierung seit der Gründung der Bundesrepublik. Ein in 1970 geplanter Anschlag auf einen Auftritt des damaligen SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt wurde in der Nacht zuvor durch eine Polizeirazzia verhindert. Gefunden wurden mehrere Schusswaffen und Munition (auch bei Volker Lachenicht).

Als Vorsitzender der Krefelder NPD schloss Lachenicht sich außerdem der bundesweiten Neonazi-Vernetzung „Aktion Widerstand“ an, bei dessen Gründungsveranstaltung er ein Banner mit der Aufschrift „Hängt die Verräter“ trug. 1970/71 verübte seine NPD- und „Aktion W“-Gruppe etwa 20 Anschläge auf linke und zivilgesellschaftliche Einrichtungen in Krefeld. Am 25. Januar 1971 wurde schließlich das Krefelder DKP-Büro mit einem Sprengsatz vollständig in Brand gesetzt. Die DKP-Zeitung „UZ“ machte damals Volker Lachenicht für diese Tat verantwortlich; nachgewiesen werden konnte ihm allerdings nichts.

Im Anschluss verschwand Volker Lachenicht lange Zeit von der politischen Bildfläche. Heute zeigt er insbesondere in der Telegram-Gruppe, dass sich bei ihm inhaltlich nichts geändert hat, wenn er über „Volksverräter“ und „Marionetten des Großkapitals“ herzieht und über eine angebliche Verschwörung zur Ausrottung des deutschen Volkes philosophiert, stets mit der Betonung, dass es sich nicht um Theorien, sondern reale Verschwörungen handele.

Der Krefelder Neonazi und Anti-Antifa-Fotograf Kevin Gabbe ist hingegen erst seit kurzem montags dabei, nachdem er zuvor Corona-Demos in mehreren anderen Städten besuchte. Laut eigener Aussage wolle er in der Stadt, in der er wohnt, eigentlich an keinen politischen Aktionen teilnehmen.

Gabbe gehört zum Umfeld der Nazipartei „Die Rechte“ und der extrem rechten Mischstrukturen aus Nazis und Hooligans in Essen und Herne. Bei der Krefelder Kundgebung am 20.7.2020 teilte er am Mikrofon mit, dass er seine politischen Ansichten nicht aussprechen wolle, weil er sonst mit Anzeigen zu rechnen hätte. Gabbe besucht regelmäßig in NRW stattfindende Nazidemonstrationen und Verschwörungsmahnwachen, dokumentiert diese mit seiner Kamera und lädt das Material auf seinem Youtube-Account hoch; so auch die Montagsdemonstrationen in Krefeld. Er ist dementsprechend gut in der Neonazi-Szene vernetzt. Zudem bedroht er über verschiedene Online-Plattformen regelmäßig Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Bereits länger dabei ist die ehemalige AfD-Ratsfrau Ruth Brauers. Sie ist sehr aktiv in der Telegram-Gruppe und postet täglich unzählige Links von verschiedenen Verschwörungsseiten. Bei den Mahnwachen filmt sie die Redebeiträge mit ihrem Handy und stellt diese auf ihrer Facebookseite online. Mit gezückter Handykamera bedrängte sie außerdem einen Antifaschisten, der die Montagsveranstaltung kritisch begleitete. Sie ist Ratsfrau in Krefeld und war bis 2014 in der AfD-Krefeld aktiv; wegen Streitereien trat sie jedoch aus der Partei aus und sitzt seitdem parteilos im Krefelder Stadtrat.

Gegenkundgebung am 3.8.20

Bis auf den Besuch einzelner Antifaschistinnen und Antifaschisten sind die Krefelder Montagsdemonstrationen bisher weitestgehend ruhig vonstatten gegangen. Während in anderen Städten teils erhebliche Gegenproteste stattfinden, genießen die Krefelder „Rebellen“ die hiesige Ruhe. Zwar ließ die Außenwirkung aufgrund des abgelegenen Platzes ebenfalls zu wünschen übrig, dennoch konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer so besser vernetzen und gegenseitig radikalisieren. Mit unserer Gegenkundgebung wollen wir dem ein Ende setzen und eine kritische Öffentlichkeit erzeugen. Außerdem wollen wir die problematischen Inhalte, die teilweise noch im Verborgenen vertreten werden, an die Oberfläche spülen und die Gruppe aus ihrer gemäßigten Deckung holen. Montag, 3.8.20, 18:30 Uhr, Theaterplatz Krefeld!

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*“Corona-Rebellen“ entspricht nicht der Eigenbezeichnung der Krefelder Gruppe, wird aber im öffentlichen Diskurs für die gesamte verschwörungsideologische Anti-Corona-Szene benutzt.